Team

Politikwissenschaft

MEET

Unser Team

Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller

Koordinatorin

Benjamin Garske, MA

Bürgerentscheide

Dr. Katharina Heidtmann

Bürgerentscheide

Alix Weigel, MA

Verbandsklagen

Das politikwissenschaftliche Teilprojekt befasst sich sowohl mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden als auch mit Klagen gegen Windenergieanlagen und geht den Fragen nach, unter welchen Bedingungen es überhaupt zu diesen Verfahren kommt und unter welchen Bedingungen diese erfolgreich in dem Sinne sind, dass die Errichtung einer konkreten Windenergieanlage verhindert oder eingeschränkt wird. 

Teilprojekt Politikwissenschaft

Es gibt eine recht heterogene Forschungsliteratur zu Protesten gegen (Bues 2020) und Akzeptanz von Windenergieanlagen (Wolsink 2007), meist auf der Basis von lokalen Fall­studien (Reusswig et al. 2016; Eichenauer et al. 2018) oder Experimenten (Liebe et al. 2017). Während sich die Fallstudienanalysen auf Argumentationsmuster konzentrieren (z.B. die Betonung von Naturschutz, Wirtschaftlichkeit oder Gesundheit, Roßmeier & We­ber 2018), testen die Experimente z.B. die Wirkungen von Verfahrens- und Verteilungs­ge­rechtigkeit auf Akzep­tanz. Es gibt Publikationen zu direktdemokratischen Ver­fahren auf der kommunalen Ebene (z.B. Töller & Vollmer 2013), jedoch nur wenige zu Verfah­ren im Bereich Windkraft. Diese sind eher allgemein an Fragen der Bürger­beteili­gung interes­siert (Bogumil & Holtkamp 2013; Huge & Roßnagel 2018). 

Auch zu den Klagen im Kontext der Windenergieanlagen existiert nur ein kleiner Literaturbestand, der sich recht breit den Klagen zu Umwelt- und Naturschutz widmet (Hentschel 2017) und dabei vorrangig quantitativ-deskriptive Daten liefert (Schmidt & Zschiesche 2018; Lüt­ke­meyer et al. 2020; Habigt et al. 2021). Diese Arbeiten geben wichtige Hin­weise auf Variationen in den pro­ze­duralen Kontextfaktoren, etwa im Hinblick auf die Mo­dalitäten der Planungs­ver­fahren oder das Bestehen von Widerspruchsverfahren (Hent­schel 2017; Quentin 2019). Hinzu kom­men Fragen zu den internen Strukturen der kla­genden Verbände, zu den Res­sourcen und Strategien (Töller 2020; Rehder & van Elten 2020), die für Klagen eine Rolle spielen können.

Somit besteht erheblicher Forschungsbedarf hinsichtlich der Frage, unter welchen Bedin­gungen sich Widerstand gegen die Genehmigung konkreter Windenergieprojekte in (Ver­bands-)Klagen oder in Bürger­begehren kanalisiert. Vom Er­kenntnisziel und Forschungs­design her mangelt es an Studien, die empirisch über Fall­studien hinaus größere Fall­zahlen untersuchen und theoretisch angeleitete, methodisch gesicherte Kausalanalysen vornehmen. Wesentliche Faktoren wie soziale Kontexte, die Rolle von einzelnen Personen und Organisationen, ih­ren (finanziellen) Ressourcen, Betrof­fen­heit, aber auch die prozeduralen und rechtli­chen Rahmenbedingungen sowie lokale und regionale strukturelle Besonderheiten sind in der existierenden For­schung noch nicht oder nicht systematisch zur Erklärung herangezogen worden. Damit bleibt ungeklärt, warum diese Faktoren  in den letzten Jahren den Winde­nergieausbau behindern. 

Antragstellerin Töller ist Professorin für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politik­feldana­lyse & Umweltpolitik an der FernUniversität. In der Umweltpolitikforschung ist sie breit ausgewie­sen. Sie hat u. a. zu Fragen des Naturschut­zes (Böcher & Töller 2016; Töller & Roßegger 2018), den Effekten direktdemokratischer Verfahren (Töller et al. 2011; Töller & Vollmer 2013) sowie zu den Effekten von Verbands­klagen (Töller 2020; Töller 2021; Töller et al. 2021) publiziert, ebenso wie zur Verwendung der Qualitative Comparative Analysis (QCA)-Methode (Stoiber & Töller 2016; Gün­ther et al. 2019). Sie ist regelmäßig als Gutachterin für BMBF/PTJ tätig und gehört seit 2020 dem Sachver­ständigen­rat für Umweltfragen (SRU) an.

Antragsteller Rasch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrgebiet Politik­feldanalyse & Umwelt­politik und im Bereich der Interessenvermittlung ausgewiesen. Er promovierte zu Interessen in Gesetz­gebungsverfahren (Rasch 2018) und forscht zur Rolle ministerieller Netz­werke bei der Konsultation gesellschaftlicher Akteure (Rasch et al 2020).

Aus politikwissenschaftlicher Sicht entsteht ein Hemmnis für den Windenergieausbau im Sinne von gescheiterten, eingeschränkten, verzögerten oder sogar zurückgebauten Wind­energie­an­lagen durch Bürgerbegehren bzw. durch Ver­bandsklagen in zwei aufeinander folgenden Schrit­ten: 1. in einer Konfliktsituation ergreifen Akteure (Bür­ger­:in­nen bzw. Verbände) eines der beiden formalen Verfahren gegen das Wind­kraft­projekt (notwendige Bedingung); 2. dieses Verfahren geht erfolgreich oder teilweise erfolgreich im Sinne der Antragsteller aus (hin­rei­chende Bedin­gung). 

Ziele: Die daraus resultierenden Ziele des Teilprojekts sind, die folgenden Fragen zu erforschen und daraus praktische Empfehlungen abzuleiten: 

  1. Unter welchen Bedingungen kommt es zu Klagen bzw. Bürgerbegehren gegen Windenergieprojekte (Genehmigungsentscheidungen)? 
  2. Unter welchen Bedingungen sind diese Klagen bzw. Bürgerbegehren erfolgreich und führen zu einem Hemmnis für den Windenergieausbau?
  3. Wie können Klagen bzw. auch Bürgerbegehren verhindert werden?

Diese Forschungsfragen werden mit dem folgenden Forschungsdesign untersucht: 

Theorie: Die Frage nach der Nutzung von Verfahren durch Akteure und den Effekten die­ser Ver­fahren auf die reale Welt verweist auf den Theoriebestand des Neo-Institutionalis­mus (Peters 2019). Im Mittelpunkt des Rational-Choice-Institutiona­lismus steht die Annah­me, dass Institu­tio­nen (Kompetenz- und Entschei­dungsregeln) Rahmenbedingungen dar­stellen, innerhalb derer rationale Akteure ihr Handeln ausrichten, um ihren Nutzen zu maxi­mieren (Peters 2019: 53ff.). Ergeb­nisse werden durch weitere Faktoren – neben Institutionen und Akteuren – beeinflusst. So können die Pro­blemstruktur, Instrumentenalternative und situative Faktoren einen Einfluss auf die politischen Prozesse und ihre Ergebnisse haben (Böcher & Töller 2012). 

Als Einflussfaktoren kommen im Hinblick auf die lokalen Bürgerbegehren u. a. die nach Ländern stark variierenden Verfahrensre­ge­lungen (v.a. zu Themenausschlüssen, Quoren und Fristen) in Betracht; die ebenfalls nach Ländern variierenden Modalitäten der Pla­nungsverfahren sowie (als Standardvari­able) die Parteiendifferenz; die Eigenschaften des Projektträgers (Bürgerenergie­projekt vs. Kon­zern), die Protestkultur in einer Region (Be­stehen von Bürgerinitiativen etc.) sowie die spezifische Problemstruktur (Größe, Höhe, Lage der geplanten Windenergieanlage, Bedeu­tung des Landschaftsbildes für die lokale Identität, Rolle geschütz­ter Arten, widerstreitende Nut­zungsinteressen etc.). Im Hinblick auf die Verbandsklagen sind bei bundeseinheitlicher Regelung der Klageberech­tigung nach Umweltrechts­behelfsgesetz neben oben bereits genannten Faktoren wie der Problemstruktur, den Eigenschaften des Projektträgers und der Parteiendifferenz ins­be­sondere die (ebenfalls nach Ländern variierende) Existenz vorgelagerter Widerspruchs­verfahren und das Beste­hen spezialisierter Verbände in einer Region zu überprüfen (e.g. Quentin 2019; Lütke­mey­er et al. 2020).

Vorgehen & Methoden: Die Studie realisiert zunächst für den Untersuchungszeitraum 2010-2020 eine Vollerhebung[1] aller Fälle (ca. 180 Bürgerbegehren und -entscheide[2]; ca. 100 abge­schlossene Verbandsklagen) und den Aufbau einer entsprechenden Daten­bank.

Für die Identifikation des Einflusses verschiedener Faktoren auf a) die Ergreifung von Bür­gerbegehren bzw. Klagen und b) auf den Erfolg von Bürgerbegeh­ren bzw. Klagen im Sinne einer Hemmung des Windenergieanlagen-Ausbaus wird in einem zweiten Schritt die Methode der „Qualitative Comparative Analysis“ (QCA) verwendet (Ragin 2014; Schneider & Wagemann 2006), die in der Policyforschung etabliert ist (Sack & Töller 2018). Sie gilt als qualitative Metho­de, liegt jedoch mit ihrer kausalen Logik und hinsichtlich der Zahl der Fälle „in der Mitte“ zwi­schen quantitativen und qualita­tiven Verfahren. Mit der QCA können notwendige und hinreichende Bedingungen sowie Kombina­tionen von Bedin­gungen identifiziert wer­den, diedas Eintreten eines Out­comes für möglichst alle Fälle erklären.

Für eine Stichprobe von Fällen mit Klagen bzw. Bürgerbegehren sowie jeweils einer Ver­gleichs­gruppe ohne Klagen bzw. Bürgerbegehren (je Analyse etwa 20) wird mit diesem Verfahren analysiert, unter welchen Bedingungen es zu Klagen bzw. Bürgerinitiativen kommt. In einem zweiten Schritt wird anhand von Fällen (zum einen Klagen, zum anderen Bürgerbegehren bzw. -entscheide), durch die Windenergieanlagen gehemmt wurden und solchen, durch die dies nicht gelang, überprüft, unter welchen Bedingungen es zu Hemm­nissen für den Ausbau der Windenergie kommt. In einem dritten Schritt werden für acht exemplari­sche Fälle vergleichende qualitative Fall­studien erstellt. 

Verfahren der Datengewinnung sind für alle drei Schritte die Auswertung von Primär­quel­len und Sekundärliteratur, lokaler Presseberichterstattung, Gerichtsurteilen, Daten­banken und qualita­tiven Leitfadeninterviews, teilweise mit Hilfe computergestützter Analyse­verfahren (MAXQDA). 


[1] Hierbei kann für die Bürgerbegehren auf Vorarbeiten der Fachagentur Wind und die Datenbank von „Mehr Demokratie“ (datenbank-buergerbegehren.info) zurück­gegriffen werden. Für die Verbandsklagen liegt mit Habigt et al. 2021 eine aktuelle Bestandsaufnahme vor. 

[2] Etwa 200 Verfahren sind „zu“ Windenergieanlagen identifiziert worden, einige auch für Windenergieanlagen, die Anzahl der Verfahren gegenWindenergieanlagen dürfte also etwas geringer ausfallen.