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Rechtswissenschaft

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Unser Team

Prof. Dr. Andrea Edenharter

Teilprojektleitung

Jasper Dannenbaum

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Teilprojekt Rechtswissenschaft 

In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden vor allem die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung für Windenergieanlagen thematisiert. Im Mittelpunkt des Interes­ses bei der Errichtung von nach Immissionsschutzrecht genehmigungs­pflich­tigen Windenergieanlagen an Land steht häufig die Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, die Windenergieanlagen als pri­vilegierte Außenbereichsvorhaben einstuft. Entsprechendes gilt für § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, Nr. 5 und Nr. 8 BauGB, die öffentliche Belange auflisten, welche der Er­richtung von Windener­giean­lagen im Außenbereich entgegenstehen können. In der Praxis wird oft gel­tend ge­macht, dass die Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen, zu einer Verun­staltung des Landschafts­bildes führen, Belange des Naturschutzes gefährden oder die Funkti­onsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stören. Von Naturschutzver­bän­den wird insbesondere das artenschutz­rechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ins Feld geführt, wenn durch den Betrieb der Anlage ein erhöhtes Tötungsri­siko für be­sonders geschützte Arten entsteht. Etwaige Konflikte aufgrund windkraftsensibler Vogelvorkommen, etwa des Rotmilans, sind daher von Windkraftun­ter­nehmen idealerweise bereits bei der Antragstellung für die Errichtung von WEA zu berücksichtigen. Außerdem machen Gemeinden zuneh­mend von der Möglichkeit des § 36 BauGB Gebrauch, das gemeindliche Einver­nehmen mit der Be­gründung zu verweigern, dass das Vorha­ben die Voraussetzungen des § 35 BauGB nicht einhält (Kröninger 2017). Nicht zuletzt gehen Anwohner:innen gerichtlich gegen die Er­richtung von Windenergieanlagen in ihrer Nähe vor, weil sie Gesundheitsgefahren durch den Be­trieb der Anlagen, insbesondere durch Lärm und Schattenwurf, befürchten. Ähnli­ches gilt für Be­treiber:innen von Radaranlagen, die eine Störung dieser Anlagen durch die Er­richtung von Windenergieanlagen in der Nähe ihrer Anlagen verhindern möchten. 

Die Anfechtung einer Genehmigung für eine oder mehrere bestimmte Windenergieanlagen mit der An­fechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Var. VwGO ist jedoch nur ein Weg, den Ausbau der Windenergie zu blockieren. Daneben besteht die Möglichkeit, entsprechende planerische Festsetzungen mit Hilfe der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO unmittelbar gerichtlich anzugreifen. Zu denken ist in diesem Zusammen­hang insbesondere an Bebauungspläne mit Festsetzungen nach § 11 Abs. 2 S. 2 BauNVO, die eine Ausweisung von Sondergebieten für die Nutzung der Windenergie vorsehen. Derarti­ge Bebauungspläne können sowohl von nach § 3 UmwRG anerkannten Naturschutzver­bänden als auch von betroffenen Einzelpersonen angegriffen werden. Des Weiteren kön­nen sich Normenkontrollanträge von Einzelpersonen gegen Fläche­nnutzungspläne mit Konzentrationszonen für Windenergie i.S.v. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB richten (OVG Lüneburg ZfBR 2009, 262). Schließlich ist unter bestimmten Vorausset­zungen ein Nor­menkontrollantrag gegen die Festsetzung eines Vorranggebietes für Windkraft im Regionalplan möglich.

Jenseits des gerichtlichen Vorgehens sind gegen die Ausweisung von Sondergebieten für die Windkraft Bürgerbegeh­ren möglich, deren Voraussetzungen sich nach dem jewei­ligen Landes­recht richten. Insoweit handelt es sich um den Versuch, bereits die Aufstel­lung eines entspre-chenden Bebauungsplans zu Gunsten von Windenergieanlagen zu verhindern. Diese Art des Vorgehens gegen den Windenergie-Ausbau ist dementsprechend dem gerichtlichen Vor­gehen zeitlich notwendigerweise vorgelagert und auch nach den Voraussetzungen von der Geltend­machung vor Gericht zu unterscheiden.

Die dargestellten Konfliktkonstellationen sind Gegenstand von Gerichtsentscheidungen, deren genaue Anzahl kaum mehr zu überblicken ist. Auch die juristische Fachliteratur widmet sich ausführlich dem Thema „Windkraftausbau“. Die meisten Untersuchungen konzentrieren sich auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Genehmigung von Windenergieanlagen (so etwa Blessing 2016; Maslaton 2018). Daneben werden aber auch die Regio­nalpläne und die Flächen­nutzungspläne als Instrumente zur Steuerung des Ausbaus der Windenergie untersucht (etwa Schidlowski 2001; Sydow 2010; Schmidtchen 2014; Krupp 2017; Reidt 2017). Des Weiteren existieren Analysen zur Ver­bandsklage im Um­weltrecht (Dikaios 2018) sowie zu den ver­schiedenen Verfahrensarten im Verwaltungs­prozess (Kloepfer 2014; Groß 2018; Schlacke 2019). Auch zu Bürgerbegehren gegen Be­bau­ungspläne wurden Publikationen vorgelegt (etwa Durinke 2011; Volkert 2016; Popp 2021). Was bislang fehlt, ist eine Analyse, die die materiell-rechtlichen Vo­raussetzungen des Ausbaus der Windenergie und die gegen den Ausbau eingeleiteten Verfahren und Bür­ger­begehren in der Gesamtschau in den Blick nimmt. Im hier beschriebenen Projekt soll aus rechtswissenschaftlicher Perspektive untersucht werden, mit welchen Begrün­dungen erfolg­reich vor Gericht gegen die Errichtung von Windenergieanlagen vorgegangen wird. Dabei soll so­wohl auf Verfahren gegen die Genehmigung einzelner Vorhaben als auch auf Normen­kontroll­ver­fahren unmittelbar gegen Bauleit­pläne/Regionalpläne eingegan­gen werden. Außerdem soll danach differenziert werden, ob es sich bei den eingereich­ten Klagen um Ver­bands­­klagen oder um Klagen von be­troffenen Einzelpersonen bzw. Gemeinden han­delt. 

Antragstellerin Edenharter ist Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht. Gegenstand ihrer For­schung zum Baurecht ist u. a. die Nachbarbeteiligung im Baugenehmigungsver­fahren (Edenharter 2021) sowie der Umgang des Baurechts mit aktuellen Herausforde­rungen, u. a. mit dem de­mo­grafischen Wandel und der Klimakrise (Edenharter 2014). Außerdem befasst sie sich mit dem Raum­ordnungsrecht, insbesondere mit der Aufstel­lung von Raumord­nungsplänen (Edenharter 2020).

Ziele: Mit der Analyse sollen diejenigen rechtlichen Gründe herausgearbeitet werden, die den Aus­bau der Windenergie in der Praxis am häufigsten stoppen. Im Fokus des Interesses stehen dabei nicht nur die entsprechenden Rechtsnormen, sondern gerade auch die Argumentations­muster der Gerichte. Durch diese Untersuchung soll es ermöglicht werden, potentielle Konflikte bereits bei der Planung von Windenergieanlagen in den Blick zu nehmen und möglichst in einem frühen Stadium zu entschärfen.

Vorgehen & Methoden: Im Rahmen der Untersuchung sollen zunächst für den Untersuchungs­zeitraum 2010-2020 alle verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfasst werden, die die Verhinderung der Errichtung von Windenergieanlagen zum Gegenstand hatten, und es soll eine entsprechende Datenbank errichtet werden. Insoweit kann eine enge Kooperation mit dem Teilprojekt Politikwissenschaft erfolgen und die erhobenen Daten können für beide Teilprojekte genutzt werden. Bei den gerichtli­chen Verfahren soll im Rahmen des Teilprojekts Rechtswis­sen­schaft zwischen Verfah­ren gegen die Erteilung einer Genehmigung für eine oder mehrere bestimmte Windenergieanlagen und Ver­fahren gegen planerische Festsetzungen bezüglich Wind­energieanlagen differenziert werden. Au­ßerdem soll danach unterschieden werden, wer ein entsprechendes verwaltungsgericht­liches Verfahren eingeleitet hat (natürliche/juristische Person oder Naturschutzverband im Rah­men einer Verbandsklage). Darüber hinaus werden die gericht­lichen Verfahren erfasst, mit deren Hilfe ver­sucht wurde, die Durchführung eines Bürgerbegehrens gegen den Ausbau der Windenergie zu erreichen. 

Um zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen Klagen gegen Genehmigungen für Wind­energieanlagen bzw. Normenkontrollanträge unmittelbar gegen planerische Festsetzungen zur Windkraftnutzung Erfolg haben, soll die jeweilige Argumentation des Gerichts analysiert werden. Dabei soll zunächst geklärt werden, ob entsprechende Verfahren auf Grund von Verfahrens­fehlern oder aus materiell-rechtlichen Gründen erfolgreich waren. Außerdem wird herausge­arbeitet, welche Argumente von den Ver­waltungsgerichten regelmäßig nicht als Hindernis für den Windkraftausbau akzeptiert werden. Im nächsten Schritt sind die Argumen­tationslinien der Verwaltungsgerichte hinsichtlich derjenigen Verfahren, die den Ausbau der Windenergie gebremst haben, weiter zu systematisie­ren. In Bezug auf die materiell-rechtlichen Gründe ist für sämtliche Verfahren zu prüfen, ob es sich dabei um Gründe des Gesund­heitsschutzes, des Naturschutzes oder um sonstige Gründe handelt. Außer­dem ist zu klären, welche Rolle der einstweilige Rechts­schutz nach § 80 Abs. 5 VwGO bzw. § 47 Abs. 6 VwGO im Kampf gegen den Ausbau der Windenergie spielte und ob sich eine Tendenz dahingehend zeigt, dass Entscheidun­gen im einstweili­gen Rechtsschutz in der Hauptsa­che bestätigt wurden. In einem abschließenden Schritt sollen schließlich acht Verwal­tungsgerichtsentscheidun­gen ausgewählt werden, die zu einer Hemmung des Ausbaus der Windenergie geführt haben. Insoweit soll die Argumentation des entscheidenden Ge­richts einer eingehenden juristi­schen Analyse unterzogen werden. In Bezug auf die Bürgerbegehren soll ebenfalls analysiert werden, aus welchen Gründen Gerichte zu­nächst abgelehnte Bürgerbegehren gegen Windenergieanlagen zugelassen haben, wobei eine Syste­matisierung der Argumentationsmuster vorgenommen werden soll. Verfahren der Daten­ge­winnung sind für alle Arbeitsschritte die Auswertung von Ge­richtsentscheidungen und Sekundärliteratur.