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Psychologie
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Unser Team
Prof. Dr. Robert Gaschler
Lernen, Motivation, Emotion
Dr. Mariam Katsarava
Lernen, Motivation, Emotion
Prof. Dr. Helen Landmann
Community Psychology
Teilprojekt Psychologie
Psychologische Forschung zur Akzeptanz des Windenergie-Ausbaus hat bisher insbesondere Aspekte der individuellen Erwartung über Auswirkungen von Windkraftanlagen und der eigenen Betroffenheit davon betrachtet. Die Forschung zeigt z.B., dass Anwohner:innen ihr subjektives Stress-Empfinden nur in geringem Maße den Windkraftanlagen zuschreiben (Hübner et al. 2019), weist den Einfluss von Erwartungen auf die berichtete Wirkung von Infraschall nach (Crichton et al. 2014), hinterfragt den lange angenommenen Zusammenhang zwischen Nähe zum Wohnort und Akzeptanz (NIMBY-Phänomen, z.B. Devine-Wright 2005, FA Wind 2020b&c) und untersucht die Wirkung von Informationsveranstaltungen zu einem Windpark auf dessen Unterstützung durch Küstenbewohner:innen (Bidwell 2016).
Diese individuelle Perspektive kann Protestverhalten allerdings nur unzureichend erklären (vgl. Rand & Hoen 2017). Beispielsweise zeigten Read et al. (2013), dass Absicht zum Widerstand gegen ein Windenergieprojekt nicht durch Einstellungen und Kontrollüberzeugungen vorhergesagt wurde, wohl aber durch Druck aus dem sozialen Umfeld (subjektive Norm, vgl. FA Wind 2020b&c). Einige psychologische Studien nehmen entsprechend die Auswirkungen von Windkraft auf Gruppen in den Blick. So beschäftigten sich Walker et al. (2017) mit der Frage, ob legale Verpflichtungen zur finanziellen Ausschüttung an Anwohner:innen die Akzeptanz von Windenergie stärker fördern als freiwillige Beiträge des Betreibers zu Belangen der Gemeinde.
Bürgerbegehren gegen Windenergieprojekte basieren in der Regel auf kollektivem Handeln. Als ausschlaggebend dafür, ob es zu kollektivem Handeln kommt, wurden wahrgenommene Ungerechtigkeit, vermutete Veränderbarkeit und Identifikation mit der Gruppe der Betroffenen für andere Domänen identifiziert (z.B. van Zomeren et al. 2008). Entsprechendes ist für den Widerstand gegen Windenergieprojekte zu vermuten und zu prüfen.
Ziele mit Bezug zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit werden oft dann gewählt und verfolgt (Fritsche et al. 2018), wenn die Person im Kontext ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe darüber nachdenkt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie das Ziel erreichen kann. Diese Erwartung ist aus Gruppen-bezogener Perspektive oft deutlich höher als ohne Gruppenbezug, da die potentielle Wirkung einer Gruppe in der Regel höher eingeschätzt wird als die potentielle Wirkung einer einzelnen Person. Relevant für das Verständnis von Klagen und Bürgerbegehren gegen Windenergieprojekte ist entsprechend die Identifizierung von Faktoren, die die Einnahme einer Gruppen-bezogenen Perspektive fördern. Eigene Vorarbeiten (Landmann & Rohmann 2020a) stellen dabei insbesondere die Rolle negativer (Ärger) und positiver (sich bewegt fühlen) Emotionen heraus. In einer korrelativen und einer experimentellen Studie zu Protestverhalten im Bereich Nachhaltigkeit konnte gezeigt werden, dass beide Emotionen Absichten und Handlungen vorhersagen. Die handlungsmotivierende Rolle von Emotionen wird auch für die Opposition zu Windkraft-Projekten diskutiert (Cass & Walker 2009; Upham & Johansen 2020), ist aber bislang nicht hinreichend belegt. Unsere Vorarbeiten geben für den Kontext der Nutzung moderner Medien für Handeln in Gruppen zudem Hinweise darauf, wie schnell und robust Gruppen-Eigenschaften in Visualisierungen zu Netzwerkstrukturen identifiziert werden können (Reimann et al. 2021).
Antragstellerin Landmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Community Psychology. Die Fachveröffentlichungen basierend auf ihrer Dissertation und die darauffolgenden Veröffentlichungen weisen sie als Expertin für die motivierende Wirkung von Emotionen im sozialen Kontext bei Problemstellungen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes aus (u. a. Landmann 2020; Landmann & Rohmann 2020a, b).
Antragsteller Gaschler ist Professor für Allgemeine Psychologie – Lernen, Motivation, Emotion. Gegenstand seiner Forschung zu Wahrnehmung und Motivation ist u. a. die Frage nach dem Erfolg staatlicher Regulierung von Informations-Angeboten (hinsichtlich Aufmerksamkeitsverteilung und Informationsaufnahmen bei den Zielgruppen, z.B. Münchhalfen & Gaschler 2021), die Nutzung von Datenvisualisierung bei der Erhöhung von Akzeptanz von Windenergie (Katsarava & Gaschler, eingereicht) und die Visualisierung von Gruppenbeziehungen (Reimann et al. 2021).
Ziele: Basierend auf den o.g. Vorarbeiten werden psychologische Bedingungen für das Entstehen und Aufrechthalten von Bürgerbegehren gegen Windenergieprojekte herausgearbeitet. Im Zentrum steht das Entstehen Gruppen-bezogener Emotion und Motivation. Diese Perspektive verspricht den Zugang zu der Frage, warum Personen in Windenergie-Bürgerinitiativen aktiv werden und wie aktiv sie sich einbringen. Wir untersuchen das Zusammenspiel von externalen Faktoren (z. B. mediale Darstellung von Protestbewegungen) und internalen Faktoren (z. B. bisheriges Engagement). Ein zu untersuchender Faktor für das Entstehen Gruppen-bezogener Emotion und Motivation bei Windenergie-Bürgerinitiativen ist dabei der Informations-Kontext über die Bürgerinitiative hinaus (Informationsstand über Verbandsklagen zur Sache, Vernetzung mit anderen Bürgerinitiativen, geplante finanzielle Beteiligung). Diese Informationen könnten insbesondere die Aussicht auf Erfolg des Protests sowie die Rechtfertigung des Vorhabens symbolisieren und dadurch Gruppen-bezogene Emotionen auslösen.
Vorgehen & Methoden: Wir nutzen die schon in den Vorarbeiten etablierten Befragungsinstrumente (Landmann & Rohmann 2020a) und die dort erprobte Kombination aus quantitativen korrelativen und experimentellen Studien. Zunächst werden die Vorbedingungen des Auftretens von Gruppen-Perspektive bei der Zielbildung und der verstärkenden Wirkung Gruppen-bezogener Emotionen untersucht. Dafür werden Personen befragt, die aktuell oder in jüngerer Vergangenheit an Bürgerbegehren gegen Windenergieprojekte beteiligt waren (aktive Windkraftgegner:innen) oder den Ausbau von Windenergie ablehnen, ohne sich an Klagen bzw. Bürgerbegehren zu beteiligen (passive Windkraftgegner:innen). Darauf aufbauend wird die kausale Wirkung der o.g. Aspekte in experimentellen Studien validiert, in denen mittels Video-Vignetten die verschiedenen psychologischen Prozesse induziert werden.
In weiteren experimentellen Studien werden internale und externale Vorbedingungen Gruppen-bezogener Emotion und Motivation bei Windenergie-Bürgerbegehren hinsichtlich Wirkweise und -stärke getestet. Dies betrifft hinsichtlich der internalen Faktoren u. a. die Rolle von langjährigen Umwelt- und Naturschützer:innen, die sich mit aus der Naturschutzarbeit resultierender hoher Glaubwürdigkeit und kommunikativer Kompetenz einbringen können (langjährige Naturschützer:innen). Diesen stehen Personen gegenüber, die erst bei der Planung von Windkraftanlagen die Relevanz von lokalem Umweltschutz entdecken (spontane Naturschützer:innen). Gegenwärtig ist offen, inwiefern diese Erfahrungsunterschiede mit spezifischen emotionalen und motivationalen Prozessen verbunden sind. Bislang unzureichend erfasst ist zudem, ob bzw. wie die Rückwirkung von Vernetztheit der Bürgerinitiativen die postulierten verstärkenden Effekte (Fritsche et al. 2018) entfaltet. Es ist anzunehmen, dass hierbei Gruppen-bezogene Emotion und Motivation eine zentrale Rolle spielen. Hinsichtlich der externalen Faktoren wird daher in experimentellen Studien die Wirkung von Wissen über Verbandsklagen auf Gruppen-bezogene Emotion und Motivation im Kontext von Windkraft-Bürgerinitiativen untersucht. Zudem wird experimentell untersucht, welche Varianten finanzieller Beteiligung förderlich/hinderlich für Akzeptanz von Windenergie sind.
Gruppen-bezogene Emotionen, Gruppen-bezogene Erwägung von Erreichbarkeit von Zielen und Beteiligung an Bürgerbegehren und Klageverfahren werden meist durch Kommunikationsformate vermittelt. Daher ist davon auszugehen, dass die oben genannten Prozesse durch mediale Darstellung von Informationen in Zusammenhang mit Protestbewegungen gegen Windkraftanlagen angestoßen oder verstärkt werden. Um der prominenten Rolle der Medien gerecht zu werden, wird die Wirkung von Aspekten moderner Kommunikationsformate auf die Einnahme der Gruppen-Perspektive untersucht. Wir untersuchen, ob die Verfügbarkeit von allgemein akzeptierten technisch unterstützten Kommunikationskanälen die Intensität der o.g. Einflussgrößen und die Wahrscheinlichkeit der Beteiligung an Bürgerbegehren und Klageverfahren beeinflusst und wie das Auftreten Gruppen-bezogener Emotionen und Kognition den Mix an genutzten Kommunikationskanälen beeinflusst. Korrelativ und experimentell wird geprüft, ob das Ausmaß der Nutzung der Formate (1) die Überschätzung von Vernetztheit und Einfluss der Gruppe befördert und (2) ob Visualisierungen den Beteiligten dabei helfen können, ein realistischeres Bild von Kohärenz und Einfluss der Gruppe zu gewinnen.